Wahlen im Schatten von Saddam Hussein
Kommentar von Gabriel Yusuf
"Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind", so der englische Staatsmann Winston Churchill in einer seiner zahlreichen launigen Äußerungen. Oder, mit den Worten eines Demokratieforschers formuliert, "die zweitbeste Demokratie ist immer noch besser als die beste Nicht-Demokratie."
Damit die Demokratie als Lebensform gegenüber eingeschränkten Orientierungen dauerhaft lebensfähig bleibt, ist eine gesellschaftliche Fundierung notwendig. D.h. die "Idee und die Leitlinie der Demokratie", müssen stets eine individual- und sozial-moralische Untermauerung bekommen. Denn Demokratie ergibt sich nicht von selbst, niemand wird als Demokrat geboren und Demokraten fallen auch nicht einfach vom Himmel. Faktisch kommt man zum Schluss, dass die Demokratie von Voraussetzungen lebt, die sie oft selbst nicht garantieren kann.
Diese Tatsache bestätigen einmal mehr die letzten Entwicklungen im Hinblick auf die Wahlen im Irak: Demokratie zu sagen allein reicht nicht. In einer Zeit der Euphorie, in der Menschen das erste Mal in ihrem Leben frei und unabhängig, trotzt massiver Terrorgefahr ihre Stimme abgeben, ihre Repräsentanten wählen und somit für Veränderungen einstehen, werden Hunderttausende Assyrer-Chaldäer-Suryoye in ihren Heimatstädten von den Wahlen abgehalten.
Die erste Lehre war, dass eine junge Demokratie wie die im Irak, eine dabei jenseits aller Unterschiede in der politischen Kultur erstaunliche Übereinstimmungen bei informellen Verhaltensmustern aufweist, die Rechtstaatlichkeit und Demokratie destabilisieren. Eine demokratische Ordnung verpufft wirkungslos, wenn die gewählten Volksvertreter nicht tatsächlich dem Wunsch des Volkes entsprechen und aber über das Machtmonopol verfügen: der Wahlmanipulation, Korruption, Vetternwirtschaft, dem Ämterschacher und der Unterdrückung einer politischen und gesellschaftlichen Opposition sind Tür und Tor geöffnet.
Demokratie zur Gefahr für den inneren Frieden umzudeuten und sich selbst als vermeintliche Stabilitätsgaranten unentbehrlich zu machen, wie es die Radikalos der Islamischen Terroristen und fundamentalistischen Zirkeln tun, ist eine Form der Destabilisierung. Eine andere Form bedienen sich die Warlords vom Schlage einiger alter Großgrundbesitzer, Stammes- und Religionsführer. Angesichts des massiven Wahlbetrugs im Nordirak, mit dessen Hilfe bekannte Kurdenführer in bester Großgrundbesitzermanier mehr Territorium und Herrschaft an sich reißen wollen - wozu sie erst die entsprechenden Autoritäten der unabhängigen Wahlkommissionen aushebeln und kontrollieren mussten-, erscheint Churchills Aussage einen Sinn zu bekommen.
Der Irak hat in Zeiten des Krieges und der Angst eine Wahl zustande gebracht, von denen die Nachbarn Syrien, Saudi-Arabien und, weiter im Westen, Ägypten bislang nur träumen können. Das Land macht erste Schritte in Richtung Demokratie. Das "Projekt Demokratie" im Irak aber ist keinesfalls vollendet. Sie muss sich heute viel stärker als früher "aus sich selbst heraus" legitimieren, sozialkulturell untermauern und sich in einem ständigen Selbst- und Neuschöpfungsprozess durch Bildung und Erziehung bewähren.
ie Labilität der jungen Demokratie im Irak ist akut, weil jede Gruppe in bester Saddam Manier die Vorteile auf seine kleinen Interessengruppen zuschneiden will. Fragen wir uns selbst: Was ist der Unterschied zwischen einem persischen, kurdischen, türkischen, arabischen und chaldo-syro-assyrischen Saddam? Die massiven Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen vom 30. Januar weisen auf die Gefahr hin! Die ersten Wahlen im Irak: Ja, ein Erfolg! Aber der Schatten Saddams war dennoch nicht zu übersehen.