Der Libanon in der Zerreisprobe:

Demokratischer Wandel oder Bürgerkrieg im Zedernland?

Beirut-Libanon (Qenneshrin): Dunkel ist es im Beirut dieser Tage. Nach einem erneuten Anschlag verschärft sich die Krise im Libanon und die Angst vor Gewalttaten wächst. Bei der Explosion einer Autobombe waren elf Menschen im christlichen Viertel Beiruts verletzt worden. Es war der erste größere Gewaltakt seit der Ermordung des früheren Premiers Rafik Hariri am 14. Februar, die Massendemonstrationen sowohl der Opposition als auch der pro-syrischen Gruppen auslösten.

Eine Mauer ist eingestürzt und alle politischen Lager im Land sind sehr angespannt, denn im Mittleren Osten vollzieht sich tatsächlich auf Druck der internationalen Politik und des Volkes ein signifikanter Wechsel, dass das politische Gesicht der Region verändern wird! Nach den positiven Entwicklungen in Palästina, im Irak und in der Türkei sind nun im Libanon die Ansätze eines demokratischen Prozesses zu erkennen. Auslöser der aktuellen Ereignisse im Zedernland war die Ermordung des früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariri. Inzwischen ist mit dem Abzug der syrischen Truppen und Geheimdienste begonnen worden. Im September letzten Jahres hatte der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1559 verabschiedet, in der sowohl der Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon verlangt wird als auch die Entwaffnung der Hisbollah-Miliz.

 

Patriarch Sfeir fordert Entwaffnung der Hizbollah

Im Rahmen des USA-Besuchs des maronitischen Patriarchen, Kardinal Mar Nasrallah Boutrus Sfeir, kam es zu einem Treffen mit US Präsident George W. Bush und UN Generalsekretär Kofi Annan. Im Zuge der Gespräche forderte das geistige Oberhaupt der Maroniten den vollständigen Abzug der Syrischen Truppen und die Entwaffnung der Hizbollah Milizen.

George W. Bush wie auch Sfeir bekräftigten ihre Vorstellungen von einem wahrheitsgemäßen freien und demokratischen Libanon, wo die Menschen frei ihre Meinungen und Vorstellungen äußern und ausleben dürfen, politische Parteien gedeihen und Wahlen abgehalten werden können. "Dafür ist ein vollständiger Abzug der syrischen Truppen notwendig", so Bush mahnend!

Bei dem Gespräch mit UN-Generalsekretär Kofi Annan in New York forderte Kardinal Sfeir die Entwaffnung der Hisbollah-Miliz, die parallel zum Rückzug der syrischen Armee aus dem Libanon stattfinden sollte. "Sie waren eine Gruppierung, die für die Befreiung des südlichen Libanon von der israelischen Besatzung gekämpft hat", sagte er. Dies sei nun erreicht. "Es gibt keinen Grund mehr für sie, Waffen zu tragen."

"Ich denke, dass die Vereinten Nationen eine Lösung für dieses Problem finden könnten, und dass die Hisbollah danach eine rein politische Gruppierung werden könnte." Auf die Forderung des maronitischen Patriarchen, die Hisbollah zu entwaffnen, reagierte Hibollah-Führer Hassan Nasrallah scharf.

 

Quo Vadis Libanon?

Es ist kein Meisterstück die ohnehin schon in sich brüchigen Systeme in der Region zu destabilisieren; schwerer wird es, auf ihren Trümmern etwas aufzubauen, was als Rechtsstaat oder Freiheit vor dem Hintergrund einer geschundenen Gesellschaft akzeptiert werden kann. Die Mauer ist eingestürzt und der Weg ist frei geworden, um einen Wandel für Demokratie und Frieden herbeizuführen! Aber die Wunden des Bürgerkrieges sind noch nicht verheilt.

 

Stichwort: Libanesischer Bürgerkrieg

Der libanesische Bürgerkrieg war ein blutiger und komplexer Konflikt, der im Libanon zwischen 1975 und 1990 tobte. Im April 1975 kam es zum Ausbruch des Bürgerkrieges im Libanon, als Einheiten der Phalangisten-Miliz der Maroniten und bewaffnete Kräfte der Palästinenser begannen, sich Gefechte zu liefern. Vorausgegangen waren eine Reihe reziproker Anschläge und kleinerer Massaker zwischen diesen Gruppen. Ursache des Bürgerkrieges war der Verlust des vorher bestehenden Gleichgewichts zwischen den ethnischen Gruppen des Libanon nach Ankunft der im Schwarzen September 1970 aus Jordanien vertriebenen bewaffneten Kräfte der PLO. Der Bürgerkrieg kostete 90.000 Todesopfer, 115.000 Verletzte und 20.000 Vermisste. 800.000 Menschen flohen ins Ausland. Mit dem syrisch-libanesischen Vertrag (Taif, Mai 1991) konnte Syrien seine Funktion als Ordnungsmacht (Besatzungsmacht) im Libanon festigen.

 

Stichwort: Maronitische Kirche 

Zur maronitisch-katholischen Kirche gehören weltweit rund sechs Millionen Anhänger. Die Maroniten feiern ihre Gottesdienste im antiochenischen Ritus. Ihren Namen leiten sie vom heiligen Mönch Maron ab, der in der Spätantike im Raum des heutigen Libanon gelebt hat. Formell nahm der maronitische Patriarch von Antiochien im Jahr 1181 die Kirchengemeinschaft mit dem Papst in Rom auf.