Armenier-Konferenz hat doch stattgefunden

Türkei-Istanbul (qenneshrin): Trotz eines Gerichtsverbots ist in Istanbul die Konferenz zum Vorwurf des Völkermords an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs eröffnet worden. Damit hatten sich die Organisatoren von zwei Universitäten über das Konferenzverbot durch ein türkisches Gericht hinweggesetzt und die zweitägige Veranstaltung, die ursprünglich schon einen Tag vorher beginnen sollte, in eine dritte Universität verlegt. 300 Historiker tagten und debattierten über Ereignisse, die vor 90 Jahren stattfanden. Thema der Konferenz war die Frage, ob die Türkei den ersten Genozid der modernen Geschichte begangen hat, ob die Massaker an den Armeniern und deren Deportation 1915-1917 ein Völkermord waren.

Die Organisation der Konferenz sorgte in der Türkei für einen politischen Eklat. Historiker der Istanbuler Bogazici-Universität wollten das politische Tauwetter vor dem Hintergrund der EU Reformen im Land nutzen und organisierten eine Konferenz, die kurzerhand vom Justizminister verboten wurde. Ein neuerlicher Versuch wurde durch einen Gerichtsentscheid gestoppt.  Das Gericht hatte Einsicht in die akademischen Qualifikationen der Redner verlangt.

Das Konferenzverbot war von der EU-Kommission scharf verurteilt worden. Diese hatte das Gerichtsurteil als "Provokation" bezeichnet und als neuen "sehr bedauerlichen Versuch", die türkische Gesellschaft an der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit zu hindern. Auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte das Konferenzverbot als mit den Grundsätzen der Demokratie unvereinbar.

Die Organisatoren umgingen das Verbot, indem sie den Tagungsort verlegte. Vor der Universität demonstrierten einige Hundert Nationalisten und Linksextreme, die die Organisatoren des Verrats beschuldigten und die eintreffenden Teilnehmer mit Eiern und Tomaten bewarfen.

Die Konferenz verlief in gedämpfter Stimmung, und keiner der Historiker wagte es, das Wort „Genozid“ auszusprechen. Wissenschaftler forderten bei der Konferenz eine offene Debatte über die historischen Fakten, zu denen objektiv geforscht werden müsse. Die Konferenz war nur für geladene Teilnehmer und Medienvertreter zugänglich.

Bei den zwischen 1914 und 1918 verübten Massakern und bei Todesmärschen starben in Mesopotamien und Anatolien mehr als 2 Millionen Christen. Mehrere Länder stufen die Verbrechen an die Armenier als Völkermord ein. Die Tatsache, dass auch andere christlichen Völker von den Säuberungsaktionen des Osmanischen Reiches betroffen, ist seit einigen Jahren auf der politischen Agenda. Aus Sicht der Türkei handelte es sich bei den Ereignissen dagegen um die tragischen Folgen einer Zwangsumsiedlung, die wegen des Krieges erforderlich gewesen sei.