Der General ist zurückgekehrt

Beirut-Libanon (qenneshrin): Nach 15 Jahren Exil ist Michel Aoun in das Zedernland zurückgekehrt. Dem 70 jährigen wurde am 07. Mai 2005 in Beirut ein triumphaler Empfang bereitet. Mehr als 50.000 Anhänger jubelten dem Oppositionspolitiker zu, als er im Zentrum der Hauptstadt das Grab des Unbekannten Soldaten und anschließend das des im Februar ermordeten Ex-Regierungschefs Rafik Hariri besuchte.

Vor allem junge Menschen schwenkten die orangefarbenen Fahnen von Aouns christlicher Patriotischer Bewegung und die rot-weiß-rote Libanon-Flagge mit der grünen Zeder. Viele bildeten mit den Fingern das "V" (Victory)-Zeichen. Aoun ist zurück, nur wenige Tage, nachdem der letzte syrische Soldat das Land verlassen hat. Der Abzug Syriens, für den Aoun als General und Chef einer Militärregierung 1988/89 gekämpft hatte, macht ihn für seine Anhänger zum "Befreier des Libanon".

"Hier bin ich wieder, und Libanon ist souverän, frei und unabhängig geworden", sagte Aoun. Seine Partei geht in den anstehenden Parlamentswahlen ins Rennen. Er selbst habe ein Reformprogramm in der Tasche, kündigte Aoun an. Nötig seien jetzt "frisches Denken", die Abkehr vom politischen Feudalsystem und vom Konfessionalismus, der Trennung nach Religionszugehörigkeit, die noch aus dem 19. Jahrhundert stamme, sagte er bei seiner Ankunft in Beirut.

Der maronitische Christ Aoun, der aus bescheidenen Verhältnissen stammt, war 1984 unter Präsident Amin Gemayel mit 49 Jahren der jüngste Oberkommandierende der libanesischen Streitkräfte geworden. Zuvor hatte er eine militärische Ausbildung in Frankreich und den USA genossen. 1988 wurde er von Gemayel zum Übergangs-Ministerpräsidenten ernannt, obwohl der Premier im Libanon nach den Bestimmungen des "Nationalpakts" sunnitischer Moslem zu sein hat. 1989 weigerte er sich, die vom Parlament gewählten Nachfolger Gemayels - René Moawad (der 17 Tage nach seinem Amtsantritt ermordet wurde) und Elias Hrawi - anzuerkennen, und begann einen "Befreiungskrieg" gegen Syrien.

1990 musste Aoun vor den Syrern und den pro-syrischen Regierungstruppen in die französische Botschaft in Beirut flüchten. Ende August 1991 wurde er von Geheimagenten nach Paris ins Exil gebracht, wo er 15 Jahre lang verbrachte.

Eine Rede Aouns gegen Syrien und deren Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Libanon im Jahre 2003 vor dem US-Kongress übte bedeutenden Einfluss auf die Verabschiedung des Washingtoner Plans »Syria Accountability and Lebanese Sovereignty Restoration Act«. Jüngst erneuerte US Präsident die Sanktionen gegen Syrien.

Aufgrund des internationalen Drucks und wachsende Proteste im Libanon zog sich Syrien in diesem Jahr aus dem Libanon zurück. Auslöser war der Mordanschlag auf den früheren libanesischen Regierungschef Rafik Hariri am 14. Februar. Kurz nachdem ein libanesisches Gericht in Beirut sämtliche gegen Michel Aoun anhängige Strafverfahren für nichtig erklärt und den gegen ihn bestehenden Haftbefehl aufgehoben hatte, kehrte der maronitische Politiker in den Libanon zurück.